kunstmusik #12

 
 
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Inhalt: #12 – Sommer 2009

REINHOLD FRIEDL
DAS VERSCHWINDEN DER NEUEN MUSIK

MAURICO KAGEL & JUAN MARIA SOLARE
DIE NEUGIERDE IST GRENZENLOS

JOHANNES KREIDLER
BESTEHENDES

MAX MURRAY
A SOUNDING OF REALITY

DIETER SCHNEBEL
EINIGE GEDANKEN ZUR SITUATION DER NEUEN MUSIK

Heute Ia
Eindrücke nach dem Besuch von Konzerten einiger Neue Musik-Festivals bzw. beim Anschauen der Programmbücher: Großes Einerlei, alles so ähnlich, allerdings gut gemacht – „professionell“ –, Musikhochschulmusik. Die Stücke meist fabelhaft aufgeführt – durch virtuose Ensembles. Vieles auch altmodisch: das haben wir doch schon vor 40, 50 Jahren gemacht. Der Klang freilich glänzend wie die lackierten Gegenstände um uns herum, die Anbauküchen, Handys, Autos etc. – genormte Produkte. Kaum ein Unterschied, woher immer die Komponistinnen und Komponisten kommen, egal ob aus Palästina, Brasilien, Australien – globalisierte Einheits- Neue-Musik. Uns Älteren fehlt die Tiefe. Vielleicht fehlt mir auch die richtige Antenne, sind meine Maßstäbe antiquiert. Adorno kam seinerzeit mit seinen „verbergten“ Ohren bei der Avantgardemusik auch nicht mit, so gerne er das Dabeisein wollte. Im Übrigen hat das Einerlei auch einen ästhetischen Reiz.

Heute Ib
Radiohören am Morgen, während des Frühstückbereitens, „Kulturradio“: munteres Zeug – viel Barock, Vorklassik in Dreiminutenhäppchen, was dann „an- und abmoderiert“ wird (moderieren = mäßigen, in der Tat ein Heruntermäßigen, oft nicht einmal eine Absage; gerade dann, wenn man wissen möchte, was es ist; übrigens auch dies in munterem Ton). Seltene Lichtblicke: ein Finale einer Haydn-Klaviersonate, das Scherzo aus Verdis Streichquartett. Aber auch da: ein Finale, ein Scherzo – ja nichts Schweres in der Morgenstund, kein anspruchsvoller Sonatensatz oder gar ein Adagio in Moll. Gesamteindruck des Geplätschers: Auch früher wurde viel Belangloses komponiert. Es war offenbar schon immer so, dass nur wenig Wichtiges entstand, selbst innerhalb des Gesamtwerks der großen Komponisten. Und: Kann man, will man nur immer Großes hören? Wo bliebe dann die Unterhaltung, das Aufschnaufen?
Freilich: warum höre ich mir’s überhaupt an? Ich könnte ja abschalten. Brauche ich das Geriesel?

Gestern
Zurückdenken an die Anfänge der Neuen Musik nach dem Zweiten Weltkrieg. Da hieß sie Avantgarde. Alles war voller Aufbruch, Zukunft; es ging voran in weiße Zonen. Freilich: es war auch ein Neuanfang nach zwölf Jahren Tabuierung alles Neuen. Es ging um Neudefinition des musikalischen Materials, der kompositorischen Syntax und um eine neue Ästhetik. Gleichzeitig fand in den 1950er und 1960er Jahren der „Wiederaufbau“ der kriegszerstörten Städte, Straßen, Eisenbahnen statt. Fragen: soll das Zerstörte (Alte) wieder errichtet werden (Restauration) oder soll es neu – modern! – aufgebaut werden? Ein damals enorm wichtiges Buch, Philosophie der Neuen Musik, hatte zwei Teile unter plakativen Titeln Schönberg und der Fortschritt , Strawinsky und die Reaktion. Es gab gesellschaftlich wie künstlerisch den Kampf um den Fortschritt. Ein Zurückdenken: Sehnsucht nach der „Guten alten Zeit“, vielmehr nach der heroischen? Wünsche ich mich zurück?

Heute – Morgen
Um 1980 freilich hatte sich erfüllt, was Cage schon 1937 prophezeite: „Die Zukunft der Musik heißt Allklangmusik.“ Somit war die Entdeckung des Materials im Zeichen des Fortschritts an eine natürliche Grenze gestoßen: Alles, was es an Klängen gibt, war verfügbar, seien sie geräuschhaft oder tonig, konkret alltagshaft oder abstrakt künstlich. Das riesige Reservoir der schon Jahrhunderte lang in Gebrauch befindlichen Klänge aber war ohnehin da – und dominierte. Die Avantgarde-Klänge wurden eingemeindet; und domestiziert. Seitdem kam der Computer als Klangerzeuger hinzu, die Einbeziehung von Mikrotönen und im Zuge der Globalisierung das Arsenal exotischer Klänge. Eigentlich wunderbar: Was ist da alles möglich?

Heute III
und … So haben wir heute eine ungeheure Vielfalt von Klängen vor uns, die durch die schiere Menge freilich auch nivelliert erscheint. Gleichsam die riesige bunte Fläche einer gigantischen Müllhalde aus neuen, alten and uralten Dingen and fremdländisch fernen. Zwischendrin ragen hie und dort vereinzelt und einsam Menhire, die Cage-, Stockhausen-, Xenakis-, Nono-Säulen usf. Aber auf der Halde glitzert es auch an manchen Stellen wie von Gold oder Perlen. […]

Excerpt from Dieter Schnebel: Einige Gedanken zur Situation der Neuen Musik
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